Das Plagiat
Es gibt einiges erstaunliches an der Diskussion über den Doktortitel von Karl-Theodor zu Guttenberg, aber nichts erstaunlicher als die Tatsache, dass es immer noch [sehr viele Leute][proguttenberg] gibt, die ihn unterstützen und das ganze gar nicht so schlimm finden (vermutlich jetzt wieder mehr, nach dem er den Doktortitel ruhen lässt). Angesichts der Sachlage ist das nicht nur verwunderlich, sondernd schlicht und ergreifend falsch, und das möchte ich hier mal näher ausführen.
Hintergrund
Ich denke jeder sollte die Affäre jetzt kennen, aber ich kenne erstaunlich viele Personen (d.h. genau eine) die davon nichts mitbekommen haben, daher noch mal als kurze Zusammenfassung: Karl-Theodor zu Guttenberg hat 2007 promoviert, mit einer Dissertation die den Verfassungsprozess in der EU und den USA vergleicht. Wie sich aber herausstellte, sind große Teile der Dissertation nicht sein eigener Text, sondern kopiert aus Zeitungsartikeln, Diplomarbeiten, Berichten des wissenschaftlichen Diensts des Bundestages und ähnlichen Quellen. Die ausführlichste Auflistung aller bisher bekannten Fällen von Kopien gibt es im [GuttenPlag Wiki][guttenplag]; wem dies zu unseriös ist, der aktuelle Spiegel enthält auch genügend Beispiele.
Ist das schlimm?
Dass die betroffenen Stellen in der Arbeit enthalten sind, kann keiner bestreiten. Auch dass es sich um wesentliche Anteile handelt ist ziemlich klar. Das GuttenPlag Wiki sagt im Augenblick, dass auf 72,77% der Seiten (Inhaltsverzeichnis und Anhänge nicht mitgerechnet) Plagiate gefunden wurden. Die entscheidende Frage ist, wie das zu bewerten ist. Und das ist eigentlich ganz einfach: Es handelt sich hier klar um eine dreiste Täuschung.
Von Seiten der ProBerger konnte man in der vergangenen Woche viele Argumente dagegen hören, die aber alle am Ziel vorbei führen. Erst einmal handelt es sich hier nicht um kleine Fehler oder Unachtsamkeit. Es ist ja nicht so, als ob hier und da ein Anführungszeichen vergessen wurde. Ein Zitat in einer wissenschaftlichen Arbeit wird immer kommentiert und bewertet. Diese Dissertation tut aber so, als seien die jeweiligen Textstellen Dinge, die KT sich selbst ausgedacht hätte. Dort Anführungszeichen zu setzen würde aus den betreffenden Teilen des Textes nur eine Anreihung von Zitaten machen, was wissenschaftlich nutzlos wäre.
Es ist auch keineswegs ein Kavaliersdelikt. Die Erklärungen, die man selbst für ein einfaches Seminar (Umfang maximal zehn Seiten) unterschreiben muss, sind schon deutlich und klar genug: Abschreiben ist nicht, im Wiederholungsfalle kann durchaus eine Exmatrikulation drohen. Der Doktortitel, immerhin der einzige Namenszusatz den man hier mit eigener Leistung kriegen kann, ist nun das absolut höchste was es in der akademischen Welt gibt. Hier Mist zu machen, für den man im Erstsemester durchfallen würde, ist deutlich mehr als nur ein einfaches Abschreiben in der Klassenarbeit in der Grundschule.
Nun sagen manche, dass ja in Doktorarbeiten sowieso viel abgeschrieben würde. Ich kenne einige Doktoren, die dies zu Recht als persönliche Beleidigung empfinden. Aber selbst wenn es so wäre: Das macht diese Dissertation kein bisschen besser. Fehlverhalten wird nicht dadurch richtig, dass andere damit durchkommen.
Guttenberg gehört der Doktortitel aberkannt. Das er jetzt selbst angekündigt hat, ihn nicht mehr zu führen, ist irrelevant, denn er hat keineswegs das Recht, zu Entscheiden, ob er ein Doktor ist oder nicht. Das darf nur die Universität Bayreuth. Dass er selbst einsieht, dass er mit dieser Täuschung nicht mehr durchkommen kann, ist gut, aber ändert nicht die Tatsache, dass er es gemacht hat.
Bitte zurücktreten!
Für viele stellt sich jetzt die Frage, ob Karl-Theodor zu Guttenberg als Verteidigungsminister zurücktreten sollte. Ich persönlich frage mich immer wieder, wieso es in Deutschland eigentlich üblich ist, mächtigen Leuten, die Mist gebaut haben, selbst die Entscheidung zu überlassen, ob, wann und wie sie gehen[^1], aber so ist das nun mal. Meine Antwort ist klar: Er sollte gehen.
[^1]: Wie man es richtig macht sieht man in Goslar, wo der Oberbürgermeister Henning Binnewies nach Überschuldung der Stadt und jahrelangen Reibereien mit dem Rat nicht etwa selbst geht, sondernd nun von der Bevölkerung abgewählt werden soll.
Es geht dabei nicht darum, dass er kein Doktor ist. Das war noch nie Vorraussetzung für den Job als Verteidigungsminister. Es ist auch nicht relevant, dass es sich “nur” um akademische Fehlleistungen handelt[^2]. Der Punkt ist, dass er gewaltig betrogen hat, um einen für ihn praktisch gesehen nutzlosen Doktortitel zu kriegen, also aus Eitelkeit. Für jemanden, der gerade behauptet immer für Wahrhaftigkeit und gewissenhaftes Arbeiten zu stehen, ist das natürlich besonders ironisch. So oder so ist es aber inakzeptabel. Ein wenig moralische Standards hätte ich doch schon gerne in unserer Bundesregierung.
[^2]: Das akademische Leistungen in einem Land, dass sich sonst gerne als eines der Dichter und Denker bezeichnet, als so nebensächlich gesehen werden, ist auch interessant.
Nein, ich bin nicht in der SPD
Zu guter letzt hört man von den Guttenberg-Unterstützern oft, dass die Angriffe alle aus dem linken Lager kämen, oder von Neidern, oder anderen Leuten die einen irrationalen Hass auf ihn hätten. Das ist Blödsinn. Ich will nicht bezweifeln, dass viele derer, die das schlecht finden, ihn auch vorher nicht mochten, aber das heißt ja noch lange nicht, dass sie unrecht haben. Die Fakten sprechen eine Sprache, die auch Leute mit positivem Guttenbergbild nicht ignorieren sollten. Ich persönlich bewundere beispielsweise sehr, wie er geschafft hat, die Wehrpflicht abzuschaffen, was ich a) begrüße und b) nicht so schnell erwartet hätte. Aber das ändert alles nichts an den Fakten, und die sagen für mich eindeutig: Guttenberg muss zurücktreten. Ob er es auch tatsächlich macht, wird sich noch zeigen. Wenn es einen gibt, der solch eine Sache im Amt überstehen kann, dann sicher er. Er hat aber den Respekt vieler Leute, mich eingeschlossen, klar verloren.
Geschrieben am 21. Februar 2011 um 21:23
Björn
Björn